Thomas Meyer, Schriftsteller: Trennt euch!
In Thomas Meyers Debütroman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» ging es um den jungen Juden Motti Wolkenbruch, der sich in eine Nicht-Jüdin bzw. eine Schickse verliebt und deshalb von seiner Familie verstossen wird. Seither hat der Schriftsteller einen Fortsetzungsroman sowie diverse weitere Bücher veröffentlicht. 2018 erschien «Trennt euch!», in dem er unglückliche Paare auffordert, sich zu trennen, da das Leben seiner Meinung nach zu kurz ist, um unnötig zu leiden. Um dieses Thema sowie auch um Gottes Nichtexistenz, die Uncoolness des Vaterseins und vermeintlich jüdischen Humor geht es in der letzten Publikation mit dem Titel «Auf Mut kannst du lange warten». Thomas Meyer ist 50 Jahre alt und lebt in Zürich. Er war eine Weile Jusstudent und dann ziemlich lange Werbetexter. Seit 2012 ist er Vater und Schriftsteller.
«Ich wünschte mir, dass mehr Leute den Mut finden, aus unbefriedigenden Beziehungen auszusteigen und sich um die Beziehung zu sich selbst zu bemühen.»
Thomas Meyer
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Ton & Schnitt: Laura Hilti. Foto: Joan Minder. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben von Laura Hilti in Kooperation mit dem Literaturhaus Liechtenstein und dem Buchladen Omni – Bücher, Spiele und mehr. Aufgenommen im November & veröffentlicht im Dezember 2024.
Barbi Marković, Schriftstellerin: Nichts ist sicher
In Barbi Markovićs Buch «Minihorror» gehen Mini und Miki ihrem Alltag nach, wo sich scheinbar harmlose Situationen regelmässig in Albträume verwandeln. Egal, ob Mini und Miki einkaufen gehen, ihre Familien besuchen oder auf einer Party sind, endet das Ganze in irgendeiner Form von Gewalt. Für diese Geschichten, die 2023 erschienen sind, hat Barbi Marković den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten. Die heute 44-jährige Autorin wurde in Belgrad geboren, studierte Germanistik und lebt seit 2006 in Wien. Bekannt wurde sie durch ihren Thomas-Bernhard-Remix-Roman und seither hat sie zahlreiche Kurzgeschichten, Theaterstücke und Hörspiele veröffentlicht. Neben dem Buch «Minihorror» erschienen zuletzt «Die verschissene Zeit» über das Belgrad der Neunziger-Jahre und das Fussball-«Pixi-Buch».
«Ich habe beobachtet, wie schnell die Narrative der Angst und Gewalt alles verändern können.»
Barbi Marković
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Ton & Schnitt: Laura Hilti. Foto: Marija Šabanović. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben von Laura Hilti in Kooperation mit dem Literaturhaus Liechtenstein. Aufgenommen & veröffentlicht im Oktober 2024.
Daniel Levin, Liechtenstein Foundation for State Governance: Im Stillen lässt es sich lauter wirken
Daniel Levin verbrachte seine Kindheit als Sohn eines Diplomaten im Nahen Osten und in Afrika. Er studierte Recht in Zürich und New York und doktorierte anschliessend in Israel. Neben seiner Tätigkeit als Anwalt in New York begann er in den 1990er-Jahren, eine Wissensplattform aufzubauen, um Regierungen und Institutionen bei politischen Reformen und bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen. Zur Weiterführung dieser Plattform gründete das Liechtensteiner Fürstenhaus 2009 die Stiftung «Liechtenstein Foundation for State Governance», deren Direktor Daniel Levin seither ist. Da die Stiftung besonderes im Nahen Osten und in Afrika über viele wertvolle Kontakte verfügt, wird sie auch in Friedensverhandlungen involviert und hat auch schon geholfen, im Ausland entführte Personen zu finden. Daniel Levin, der auch als Autor tätig ist, ist 61 Jahre alt und lebt in New York.
«Die Beziehungen, die in unserem Leben bleiben, sind diejenigen aus Kriegen oder Geiselnahmen, die tragisch enden.»
Daniel Levin
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Ton & Schnitt: Laura Hilti. Foto: Roland Korner. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben von Laura Hilti. Aufgenommen & veröffentlicht im Oktober 2024.
Nicolas Mahler, Comiczeichner und Illustrator: Nur das Erfreuliche zeichnen
Schon früh stand Nicolas Mahlers Entschluss fest, Comiczeichner zu werden. Da es in den 1990er-Jahren keine entsprechenden Ausbildungen gab, eignete er sich sein Wissen als Autodidakt an. Seither zeichnet er für bekannte Magazine und Zeitungen wie «Die Zeit» oder die «NZZ am Sonntag», veröffentlicht Bücher und zeigt seine Arbeiten in Ausstellungen in aller Welt. Unter anderem hat er bedeutende Werke der Literatur in Comicform umgesetzt und mit seinem reduzierten Stil ganz eigene Bilderwelten geschaffen. Ende 2023 ist sein Buch «Komplett Kafka» über den tschechischen Autor Franz Kafka erschienen. Durch Mahlers Kommentare sowie viele Zitate und Anekdoten wird der Einblick in Kafkas Biografie und Werk zum grossen Lesevergnügen. In seinem neuesten Buch hat sich der Zeichner dem nicht weniger komplexen Unterfangen gewidmet, das Gesamtwerk der österreichischen Autorin Friederike Mayröcker zu bearbeiten. Der heute 54-Jährige, dessen Werke bereits vielfach ausgezeichnet wurden, lebt und arbeitet in Wien.
«Mein Wunsch wäre, etwas völlig Abstruses, Sinnloses zu machen, das die Massen anspricht.»
Nicolas Mahler
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Ton & Schnitt: Laura Hilti. Zeichnung: Nicolas Mahler. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben von Laura Hilti. Aufgenommen & veröffentlicht im September 2024.
Maura Kressig, Co-Leiterin Rathaus für Kultur & Dogo Residenz: Aus dem Rathaus herausstrahlen
So klein das Städtchen Lichtensteig im Toggenburg auch ist, so viel tut sich dort im Kulturbereich. Vor fünf Jahren stellte die Gemeinde das alte Rathaus einer Gruppe junger Menschen um Maura Kressig zur Verfügung, die das leerstehende Gebäude in ein «Rathaus für Kultur» verwandelte. Zwischenzeitlich befinden sich dort ein Gastrobetrieb, Künstler*innen-Ateliers, Veranstaltungs- und Proberäume sowie eine Künstler*innen-Wohnung für mehrmonatige Residenzen. Die Tätigkeiten der beiden Vereine «Rathaus für Kultur» und «Dogo Residenz für neue Kunst» reichen von einem Kunstspaziergang über Ausstellungen bis hin zu Konzerten und Festivals und haben massgeblich dazu beigetragen, dass Lichtensteig letztes Jahr den Wakkerpreis gewann. Die 31-jährige Maura Kressig ist seit 2019 Co-Leiterin des Rathauses für Kultur und der Dogo Residenz. Bereits mit 18 begann sie, Kunstausstellungen in ihrem Heimatort Wattwil und der Region zu organisieren und studierte später Soziokulturelle Animation in Luzern.
«Mich interessiert es, durch Kunst einen Aussenblick hierhin zu bringen und dadurch vielleicht auch den Innenblick zu verändern.»
Maura Kressig
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Ton & Schnitt: Laura Hilti. Foto: Laura Hilti. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben von Laura Hilti. Aufgenommen & veröffentlicht im März 2024.
Roman Signer, Künstler: Ich bin sehr gwunderig
Aus den Fenstern eines ehemaligen Kurhauses schiessen synchron sieben Hocker hoch in die Lüfte hinaus und zerschellen auf dem Boden. Irgendwo in Island schwimmt ein Tisch auf vier Eimern friedlich in einem See. Der Schweizer Künstler Roman Signer bezeichnet sich als Elementkünstler. Er experimentiert mit Energie, Wind- und Wasserkraft und bringt damit alle möglichen Dinge und Stoffe in Bewegung. Dabei arbeitet er oft mit einfachen Objekten wie mit Stiefeln, Kajaks, Tischen oder Stühlen und platziert diese an Orten, an denen man sie nicht erwarten würde. Roman Signers Skulpturen sind immer wieder überraschend und lösen dadurch viel Heiterkeit aus. Der heute 85-jährige Bildhauer wurde in Appenzell geboren und lebt in St. Gallen. Nach einer Lehre zum Hochbauzeichner und mehreren Jahren Arbeit auf diesem Beruf machte er mit Ende zwanzig einen gestalterischen Vorkurs in Zürich und studierte Bildhauerei in Luzern und Warschau. Obwohl er die Ausbildung wegen mangelnden finanziellen Mitteln abbrechen musste, blieb er der Kunst treu und ist heute einer der bekanntesten Schweizer Künstler, der bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde und dessen Werke international ausgestellt werden.
«Fehler inspirieren mich.»
Roman Signer
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Ton & Schnitt: Laura Hilti. Foto: Laura Hilti. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben von Laura Hilti. Aufgenommen & veröffentlicht im April 2024.
Sarah Elena Müller, Autorin und Musikerin: Die Freundlichkeit des Zufalls
Im Buch «Bild ohne Mädchen» von Sarah Elena Müller geht es um ein Kind. Ein Kind, das die Welt der Erwachsenen beobachtet und sich fragt, wie die Dinge miteinander zusammenhängen: Wird der Vater durch seinen wippenden Fuss angetrieben und würde er zum Erliegen kommen, wenn das Wippen aufhörte? Woher kommt der Racheengel, der dem Kind erscheint und wie wird Rache gemacht? Durch Schubsen oder Stechen mit dem Zweizack vielleicht? Das Kind versucht, mit den Erwachsenen über seine Beobachtungen zu sprechen, aber findet keine Sprache für das, was mit ihm geschieht und was es nicht begreifen kann. Die Erwachsenen merken zwar, dass etwas nicht stimmt, aber so richtig sehen und verstehen wollen sie nicht, was direkt vor ihren Augen passiert. Sarah Elena Müller hat mit «Bild ohne Mädchen» einen Debütroman vorgelegt, der unter die Haut geht und letztes Jahr für den Schweizer Buchpreis nominiert wurde. Die Künstlerin ist vielfältig und multimedial unterwegs. Sie schreibt Bücher, tritt im Spoken Pop Duo «Cruise Ship Misery» als Ghostwriterin und Musikerin auf, hat die Virtual Reality Performance «Meine Sprache und ich» zu Ilse Aichinger entwickelt und ist Mitbegründerin des feministischen Autor*innenkollektivs RAUF. Ihr Interesse gilt allen Formen von Text und Sprachlichkeit, technologischen und sozialen Entwicklungen, sowie tanzbarer Musik. Sarah Elena Müller ist 33 Jahre alt, wuchs in der Ostschweiz auf und lebt derzeit in Bern.
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Foto: Laura Stevens. Ton: Robert Büchel, Jingle Jungle. Schnitt: Laura Hilti. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben vom Kunstverein Schichtwechsel. Gefördert durch: Gerda Techow Gemeinnützige Stiftung. Aufgenommen & veröffentlicht im März 2024.
www.limmatverlag.ch/autoren/autor/1…na-mueller.html
Margrit Schriber, Schriftstellerin: Das ungewöhnliche Leben einer Appenzeller Schaustickerin
Die 1893 geborene Maria Antonia Räss wuchs im Appenzell in bitterer Armut auf. Bereits mit fünf Jahren musste sie durch ihre Arbeit in einem Stickkeller zum Familieneinkommen beitragen. Als junge Frau reiste sie dann als Schaustickerin durch Europa, um die Handwerkskunst aus ihrer Heimat zu verkaufen. Ganz allein machte sie sich im Alter von 27 Jahren auf nach Amerika und baute dort trotz widriger Umstände ein Stickimperium auf. Die Appenzeller Heimat besuchte sie bis zuletzt regelmässig und sorgte dort mit ihren extravaganten Kleidern und dem jeweils aus den USA verschifften weissen Cadillac für Aufsehen. Basierend auf dieser ungewöhnlichen Biografie hat Margrit Schriber den Roman «Die Stickerin» geschrieben, der Fakten und Fiktion zu einer dichten und spannenden Erzählung verwebt. Diese gibt nicht nur Einblick in einen besonderen Lebensweg, sondern auch in die von zwei Weltkriegen geprägte Geschichte Europas und der USA. Die heute 84-jährige Margrit Schriber träumte bereits als Jugendliche davon, Schriftstellerin zu werden und setzte diesen Traum mit grosser Beharrlichkeit und Geduld um. Ihr erstes Buch veröffentlichte sie im Alter von 37 Jahren und seither folgten Schlag auf Schlag weitere Bücher. Die Innerschweizerin, die für ihr Werk viele Auszeichnungen erhalten hat, lebt seit mehreren Jahrzehnten in Zofingen im Kanton Aargau.
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Foto: Marc Wyss. Ton: Robert Büchel, Jingle Jungle. Schnitt: Laura Hilti. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben vom Kunstverein Schichtwechsel. Gefördert durch: Gerda Techow Gemeinnützige Stiftung. Aufgenommen & veröffentlicht im März 2024.
Olaf Nicolai, Künstler: Kunst, und sonst!?
Robert Schumann komponierte im 19. Jahrhundert ein Klavierstück, in dem neben den Stimmen für zwei Hände plötzlich eine dritte Stimme auftaucht. Diese sogenannte «Innere Stimme» kann von den Klavierspieler:innen mitgelesen, aber nicht gespielt werden und beeinflusst das Stück, obwohl sie nicht hörbar ist. Der Künstler Olaf Nicolai hat diese dritte Stimme aus der Verborgenheit geholt und sie ins Zentrum einer Performance gestellt. Die Melodie wird während zwölf Stunden von verschiedenen Personen gesummt und gesungen, während die Besucher:innen ein- und ausgehen und zuhören können, solange sie möchten. So werden sinnliche Erfahrungen möglich, die oftmals überraschende Gefühle und Gedanken auslösen. Diese sinnlichen Erfahrungen sind in Olaf Nicolais künstlerischen Werken zentral und verbinden sie, obwohl sie sich formell stark unterscheiden und von Performances über Filme bis hin zu monumentalen Skulpturen reichen. Der heute 60-jährige Künstler wuchs in der Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) in der ehemaligen DDR auf. Er studierte Literatur- und Sprachwissenschaft in Leipzig, Wien und Budapest und lebt heute in Berlin. Neben seiner künstlerischen Arbeit unterrichtet an der Akademie der Bildenden Kunst München.
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Foto: Bea Borges. Ton: Michael Schwarz, Jingle Jungle. Schnitt: Laura Hilti. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben vom Kunstverein Schichtwechsel in Kooperation mit der Liechtensteinischen Kunstgesellschaft und dem Kunstmuseum Liechtenstein. Gefördert durch: Gerda Techow Gemeinnützige Stiftung. Aufgenommen & veröffentlicht im Februar 2024.
www.eigen-art.com/kuenstlerinnen/olaf-nicolai/arbeiten/arbeiten
Milo Rau, Regisseur und Autor: Die banalen Dinge mit Leidenschaft und Abenteuerlichkeit ausstatten
Ende Januar inszeniert der Theater- und Filmregisseur Milo Rau die Oper «Justice» in Genf. Sie basiert auf einem Unfall in der Demokratischen Republik Kongo, bei dem im Jahr 2019 ein Tanklaster mit Säure mit einem Bus zusammenstiess. Dabei starben über zwanzig Menschen eines grausamen Todes und viele wurden verletzt. Obwohl der Tanklaster zu einem Subunternehmen eines multinationalen Konzerns mit Sitz in der Schweiz gehörte, konnte für den Unfall niemand zur Rechenschaft gezogen werden. Milo Rau verhandelt in der Oper nicht zum ersten Mal Fragen nach Verantwortung und Gerechtigkeit und zeigt dabei Zusammenhänge zwischen dem westlichen Reichtum und Ausbeutung in anderen Ländern auf. Der heute 46-jährige Regisseur wuchs in der Schweiz auf und studierte Soziologie, Germanistik und Romanistik in Paris, Berlin und Zürich. In Theater und Film machte er sich einen Namen durch Arbeiten wie «Hate Radio» über die Rolle eines Radiosenders beim Völkermord in Ruanda, «Breivik’s Statement» über die Erklärung des norwegischen Terroristen Anders Breivik oder «Das Kongo Tribunal» über die Massaker an der kongolesischen Zivilbevölkerung. Zuletzt leitete Milo Rau das belgische Stadtheater NTGent und ist seit Kurzem Intendant der Wiener Festwochen.
Interview: Laura Hilti. Musik: Manuel Büchel. Foto: Bea Borges. Ton: Robert Büchel, Jingle Jungle. Schnitt: Laura Hilti. Podcast-Logo: Anna Hilti. Herausgegeben vom Kunstverein Schichtwechsel. Gefördert durch: Gerda Techow Gemeinnützige Stiftung. Aufgenommen & veröffentlicht im Januar 2024.
www.international-institute.de